Im Juli besuchten Schülerinnen des Sophie-Scholl-Berufskollegs in Duisburg-Marxloh die kultursensible Pflegeeinrichtung Haus Andreas in Köln

Wie das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen gelingen kann, wird in Gesellschaft, Medien und Politik viel diskutiert. Im Haus Andreas ist es seit vielen Jahren selbstverständlicher Alltag, leben und arbeiten in der Pflegeeinrichtung des Clarenbachwerks doch Menschen aus 21 Nationen. Ein Viertel der Bewohner hat ausländische Wurzeln, so dass sich dort ein „kultursensibler“ Schwerpunkt herausbildete.

Unter diesem Stichwort hatte die Abschlussklasse eines Duisburger Berufskollegs die Kölner Einrichtung gefunden und jetzt besucht. Im Bereich Sozial- und Gesundheitswesen hatten die Schülerinnen das Thema „Kultursensible Pflege“ bearbeitet und waren neugierig, wie das Angebot in der Praxis aussieht – viele von ihnen haben selbst einen Migrationshintergrund. Klassenlehrer Daniel Kober erklärte: „Wenn man unseren Standort Duisburg-Marxloh erwähnt, haben viele Menschen direkt ein bestimmtes Bild vor Augen. Ich sage dann immer: ‚Der Stadtteil hat seine Probleme – wir aber haben tolle, engagierte Schülerinnen und Schüler.‘ Und das war zu merken: Obwohl sie alle unmittelbar vor ihrem Abschluss standen, der sie für eine Ausbildung oder die gymnasiale Oberstufe qualifiziert, brachten die acht Schülerinnen viel Interesse und Offenheit mit – und einen Katalog an Fragen, die sie an die Pflegefachkräfte richteten.

So erklärte ihnen Einrichtungsleiterin Nazita Abdollahi den Ansatz: „Der Umzug in eine Pflegeeinrichtung bedeutet ja immer eine große Lebensumstellung – umso mehr, wenn man aus einem Kulturkreis stammt, wo es gar nicht üblich ist, Angehörige in einem Pflegeheim unterzubringen.“ Da sei es viel wert, auf Menschen zu treffen, die mit der Muttersprache und den eigenen Traditionen vertraut sind. Im Clarenbachwerk sind diese vielfach vertreten, wie Wohngruppenleiter Arnaldo Montedonico erzählte: „Schon durch unseren früheren persischen Einrichtungsleiter hatten wir sehr viele Bewohner und Mitarbeitende verschiedener Herkunft. Zunächst haben wir vieles ‚aus dem Bauch heraus‘ angeboten. Nach einiger Zeit haben wir dann mit professioneller Unterstützung ein fundiertes Konzept dazu erarbeitet.“

So gibt es mittlerweile in allen Bereichen der Einrichtung – sei es Pflege, Küche oder soziale Betreuung – ein vielfältiges Angebot, das den Bewohnern hilft, sich heimisch zu fühlen. Immer setzt das Konzept dabei auf allgemeine Bereicherung: Da wird neben dem guten deutschen Filterkaffee auch Tee aus dem Samowar angeboten, Fladenbrot, Schafskäse oder Basmatireis ergänzen die Speisenpalette. Bei der deutsch-italienischen Woche gibt es Spaghetti Carbonara und alte italienische Filme für alle. Neben Ostern, Weihnachten und Karneval wird auch das Frühlingsfest Nouruz oder das Zuckerfest gefeiert. Neben der Kapelle gibt es auch einen muslimischen Gebetsraum, auf Wunsch wird russisch-orthodoxen wie jüdischen Traditionen entsprochen.

Gleichzeitig gelten „weltliche“ Regeln für alle: „Amtssprache“ ist deutsch, andere Muttersprachen werden nur dort gesprochen, wo es eine Pflegesituation erleichtert, damit sich niemand ausgeschlossen fühlt. Regelmäßig gibt es Supervision für die Mitarbeitenden – zum kulturellen Verständnis, aber auch zur Bewältigung von Konflikten, die manchmal schon aus den Herkunftsländern herrühren. „Es geht darum, jeden Einzelnen mit seiner Biografie und seinen Bedürfnissen ernst zunehmen“, erklärt Nazita Abdollahi. „Dazu wollen wir – im Rahmen unserer Möglichkeiten – Angebote machen. Die Grenzen liegen in allen Bereichen des Zusammenlebens natürlich dort, wo andere beeinträchtigt werden. Daher muss auch im Haus Andreas immer wieder einmal vermittelt und nachjustiert werden.“ Das allerdings klappt seit vielen Jahren hervorragend.

Anschließend besichtigten die acht Schülerinnen des Sophie-Scholl-Berufskollegs sämtliche Bereiche des Hauses, vom Speiseraum bis zur Kegelbahn, wo sie erleben konnten, wie das Miteinander verschiedener Kulturen bis ins hohe Alter gelingt. Aber auch die Einrichtung profitierte von den Impulsen der jungen Besucherinnen. Als Gastgeschenk überreichten diese ein selbst gestaltetes Memory-Spiel für die Senioren: alle Abbildungen waren dabei ergänzt durch zweisprachige Bezeichnungen, etwa in deutsch-italienisch oder deutsch-türkisch. Die Idee hatten sie im Unterricht entwickelt, um über die Bilder selbst bei demenzerkrankten Menschen Worte hervorzulocken und zum Austausch beizutragen.

So zeigt sich, dass mit guten Ideen, Offenheit und klaren Regeln Verständigung manchmal ein Kinderspiel sein kann …